Sonntag, 27. Juni 2010

Die perfekte Lehrperson…

…hat in meine Augen als erstes verstanden, dass sie eben dies nie sein wird: perfekt. Dementsprechen versteht sie selber vor allem als Lernender. Sie sieht ihre Aufgabe in der Lernbegleitung, nicht im Lehren. Sie hat Freude an ihrer Profession, ist also intrinsich motiviert und kann somit auch auf andere motivierend wirken. Für mich sind dies die elementaren Voraussetzungen. Wer sich selbst und andere als „im Lernprozess befindlich“ begreift und Freude an diesem Prozess hat, kann diese auch weitergeben. Es ist das große Thema „Lernen lernen“ – lebenslang. Eine solche Einstellung beinhaltet auch das Wissen darüber, dass immer etwas schief gehen kann und wird. Ich glaube, dass das gerade im Lehr-/Lernprozess eine sehr wichtige Erkenntnis ist. Der konstruktive Umgang mit Mißerfolg zeichnet den professionellen Lernen (Lehrpersonen) aus.

Ferner ist die nach Perfektion strebende Lehrperson…

…. reflektiert.
Dies im Hinblick auf den eigenen Lernprozess (was war gut, nicht so gut, muss geändert werden, wie kann wer unterstützt werden, etc.), das eigene Sozialverhalten, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten.

….organisiert.
Angefangen vom eignen Fachwissen (aktuellster Stand?) bis hin zum Wissen über seine Lerner (was sind Stärken/ Schwächen, wie ist der momentane Entwicklungsstand, was ist anvisiert,etc.).

…kompetent und somit flexibel
Sie ist im fachlich, sozial und medial so kompetent, dass es ihr eine Offenheit und Flexibilität erlaubt, mit der sie den unterschiedlichsten Voraussetzungen und Ansprüchen der jeweiligen Lernen begegen kann.

…vernetzt
Die „perfekte“ Lehrperson pflegt einen konstruktiven Austausch mit dem Anderen zum Zwecke der gegenseitingen Unterstüzung, zur Reflektion des eigenen Handelns und gegenseiten (fachlichen) Information, etc.

In dieser kurzen (nicht perfekten) Beschreibung der perfekten Lehrperson finden sich im Grunde alle Aspekte der in Dörings beschriebenen Kompetenzwanne wieder. Was mir ein bißchen in der Kompetenzbeschreibung von Döring gefehlt hat, ist die Sichtweise des Lehrenden als Lernendem und die (in meinen Augen) Notwendigkeit, des kollegialen Austausches. In der obigen Beschreibung nimmt vor allem die soziale Kometenz und Vorbildfunktion einen großen Raum ein. Dies findet sich in dem Maße nicht bei Döring wieder, der die Kompetenzen gleichrangig behandelt.

Samstag, 5. Juni 2010

Comenius Große Didaktik – Alles wird gut!

Die zentrale Botschaft aus dem Ankündigungstext von Comenius Großer Didaktik komprimiert sich für mich in genau diesen Worten: Alles wird gut! Comenius verspricht einen effizienten und sicheren Weg, wie Lehrende ihre Bildungs- und Erziehungsaufgabe erfüllen können. Ein solches Heilsversprechen lässt mich immer gleich kritisch werden:
Wie kann Comenius eine Didaktik versprechen, die alle die in real auftauchenden Lehr-Lern-Prozessen vorhandenen Probleme wie unterschiedliche Lernausgangslagen, Lernwege, Ressourcen, etc. mit einbezieht? Natürlich kann in einer Allgemeinen Didaktik nicht jeder Einzelfall bedacht werden….Das Problem lässt sich lösen, wenn man Comenius Ankündigung als Vorgänger einer konstruktivistischen Didaktik sieht (wie es bereits schon einige meiner Mitstreiter getan haben). Hierzu verleitet vor allem die Textpassage „die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen“. Ich muss an dieser Stelle allerdings anmerken, dass mir dieser Gedanke bei erstmaliger Lektüre des Ankündigungstextes nicht gekommen ist. Denn: die Folge einer konstruktivistischen Didaktik ist ein individualisierter Unterricht. Hierzu findet sich nichts im Text von Comenius (zumindestens nicht in der Ankündigung!). Ebensowenig findet sich der Grundgedanken des Konstruierens nicht wieder. Vielmehr lassen sich Comenius Betonung der Effizienz („Rasch, angenehm und gründlich“) sowie seine Ausführungen zur Art und Weise wie gelehrt werden soll (insb. im Hinblick auf die Reihenfolge und den Weg) auch so deuten, dass seine Didaktik weniger Spielräume für Lehre und Lernen lässt, als der Konstruktivismus es erfordert. Bei letzterem muss es nämlich auch möglich sein Umwege oder Schleifen zu gehen – eben individuell. Ist Comenius Didaktik also wirklich konstruktivistisch geprägt (wie gesagt: allein vom Ankündigungstext her)? Die Optimierung von Lehr- Lernprozessen (weniger lehren, mehr lernen) ist ja auch der Ausgangspunkt des Frontalunterrichts gewesen, oder?

Gut. Ausgangspunkt meiner Überlegungen zu Comenius war die Frage, ob ich auch heute noch – in Zeiten hoch technologisierten Lehrens und Lernens solche Erwartungen an eine Didaktik stellen würde, wie Comenius sie in seiner Ankündiung zu erfüllen verspricht. Hierzu gleich eine Gegenfrage: befinden wir uns denn wirklich schon in Zeiten hochtechnologisierten Lehrens und Lernens? Ich möchte das noch etwas bezweifeln. Klarstellung: natürlich befinden ist hochtechnologisiertes Lernen und Lehren möglich, und die WBT, CBL, etc werden hoch gehandelt. Doch wie sieht denn die Alltagsrealität aus? Gerade im Hinblick auf die Schule – wo beispielsweise Whiteboards oder Smartboards gerade erst Einzug halten (und dann vielleicht eines pro Schule!)– wage ich das doch sehr zu bezweifeln. Geht man vom Schulalltag weg – bspw. in den Bereich der betrieblichen Erwachsenenbildung oder universitären Bildung kann ich diese Aussage als „Online-Studentin“ schon eher unterschreiben… Vielleicht befinden wir uns vielmehr noch in einer Phase, in der das hochtechnologisierte Lehren und Lernen – ähnlich Comenius Didaktik – als Ideal in prophetischer Ferne oder auch Nähe liegt. Technologisiertes Lehren und Lernen verspricht – mit dem ihm inhärenten Möglichkeiten – ähnliches wie Comenius: allen alles allumfassen vermitteln zu können (und dabei auch noch individualisiert) (an dieser Stelle in kleines Dankeschön an Christians Beitrag). Aber stimmt das wirklich? Warum sprechen wir dann z.B. von der „Digital Divide“? Kann technologisiertes Lehren und Lernen wirklich „Standesgrenzen“ – wie Comenius es vorschlug – überwinden?

Doch zurück zur Fragestellung: Würde ich auch heute noch solche Erwartungen an eine Didaktik in Zeiten hochtechnologisiereten Lehrens und Lernens stellen? Würde ich überhaupt so eine Erwartung an eine Didaktik stellen, ist für mich die Frage die dahinter steht. Denn – obwohl noch ganz am Anfang meiner eigenen didaktischen Überlegungen, bin ich der Überzeugung, dass „nur“ durch die Veränderung (oder Weiterentwicklung) der Methoden Didaktik – bspw. aufgrund ihrer Legitimations- oder Orientierungsfunktion – nicht obsolet wird. (Allgemeine) Didaktik dient der Erforschung, Erklärung und Strukturierung von Lehr- und Lernprozessen jeglicher Coleur mit dem fortwährenden Ziel der Optimierung. Sie bemüht sich um eine Totalerfassung Feldes (also auch hochtechnologisiertes Lehren und Lernen) um dieses für den Lehrenden handhabbar zu machen. Sie ist Instrumentarium des Lehrenden für die Organisation des eigenen Lernprozesses (Ordnung des Erfahrungswissens). Damit ist sie eine wichtige Hilfestellung – aber kein Heilmittel.